FIT4Platform
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FIT4Platform – Bewertung und Implementierung von digitalen Plattformen in der Kontraktlogistik
(2022)
Ob Amazon oder Facebook, digitale Plattformen haben B2C- und C2C-Märkte fundamental verändert. Im Gegensatz zu Geschäftsmodellen, die den Schwerpunkt auf das Erzeugen von Produkten oder Dienstleistungen legen, fokussieren digitale Plattformen die Koordination von Angebot und Nachfrage, die Vernetzung von Teilnehmern sowie das Sammeln und Analysieren der Nutzungsdaten. Auch in der Logistikbranche gewinnen vergleichbare Plattformen zunehmend an Bedeutung und bieten Logistikdienstleistern die Chance, durch verschiedenste Plattformangebote ihren Unternehmenserfolg zu steigern. Gleichermaßen bringen digitale Plattformen jedoch auch Risiken und Herausforderungen
für bestehende Logistikdienstleister mit sich, die kurz- und langfristig das laufende Geschäft gefährden können. Um Chancen zu nutzen, gleichzeitig Risiken zu berücksichtigen und somit deren langfristige Wettbewerbsfähigkeit in einem sich wandelnden Markt aufrechtzuerhalten, sind Logistikdienstleister gefordert, komplexe Entscheidungen in Bezug auf Interaktionen mit digitalen Plattformen zu treffen. So können sich Logistikdienstleister beispielsweise für den Beitritt verschiedener grundlegender Plattformtypen entscheiden, die wiederum von verschiedenen Plattformbetreibern in variierender Ausgestaltung angeboten werden oder sogar die Gründung einer eigenen
Logistikplattform mit Partner- und Kundennetzwerk initiieren. Der deutsche Logistikmarkt setzt sich jedoch überwiegend aus kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zusammen. Diese laufen Gefahr, nicht über ausreichende Erfahrungswerte oder umfassendes Fachwissen in Bezug auf digitale Plattformen und deren breites, heterogenes Angebot zu verfügen, um diese Entscheidungen fundiert zu treffen und erfolgreich umzusetzen. Das Forschungsprojekt ‚Fit4Plattform‘ zielte daher darauf ab, KMU der Kontraktlogistik darin zu unterstützen, Entscheidungen in Bezug auf Interaktionen mit digitalen Plattformen der Logistikbranche
zu treffen und diese erfolgreich umzusetzen. Konkret sollte hierzu zunächst eine Typologie digitaler Plattformen erstellt werden, um das bestehende Plattformangebot übersichtlich zu kategorisieren und eine Strukturierung der Entscheidungs- und Umsetzungsunterstützung zu erleichtern. Auf der erstellten Typologisierung aufbauend sollten zur allgemeinen Beschreibung und Aufbereitung der Entscheidungssituation ein Entscheidungsbaum und die dazugehörigen Entscheidungskriterien entwickelt werden. Um Logistikunternehmen im Anschluss an die Entscheidungsfindung auch in der Umsetzung zu unterstützen, wurde des Weiteren die Erarbeitung von Umsetzungsstrategien und Orientierungshilfen fokussiert. Zur Gewährleistung der anwenderfreundlichen Nutzbarkeit der Ergebnisse sollte als zentrales Ergebnis des Forschungsprojekts ein Anwendungstool entwickelt werden,
welches aufbauend auf den konsolidierten Projektergebnissen Logistikdienstleister durch den Entscheidungsprozess bezüglich digitaler Plattformen begleitet und die anschließende Umsetzung
unterstützt. Im Rahmen des Forschungsprojekts erfolgte zunächst die Erarbeitung von Grundlagenwissen zu digitalen Plattformen in der Logistikbranche. Hierzu wurden deren fundamentale Funktionsweise, damit verbundene Potenziale und Risiken sowie die Branchenstruktur nach Porter ausgearbeitet. Im Folgenden wurde unter Verwendung des V4-Frameworks das angestrebte Kategorisierungsschema digitaler Plattformen der Logistikbranche erstellt. Demnach können drei zentrale Typen von Logistikplattformen unterschieden werden: erweiterte Frachtenbörsen als Marktplätze zum Handel von Ganz- und Teilladungen oder Transportkapazitäten, Visibility-Plattformen als Anbieter von datenbasierten Diensten wie Echtzeittracking oder Supply-Chain-Transparenz sowie Warehousing-Plattformen als Vermittler von Lagerkapazitäten und Fulfillment-Dienstleistungen. Als Ausgangspunkt für die Entscheidungsunterstützung wurden daraufhin Entscheidungskriterien abgeleitet, indem die Komponenten der Leistungserbringung und Kostenfaktoren typischer Logistikdienstleistungen über eine Morphologie dieser Dienstleistungen ermittelt wurden. Darüber hinaus wurden allgemeine sowie typenspezifische Chancen und Risiken identifiziert, die zusätzlich als Entscheidungskriterien zu berücksichtigen sind. Im Anschluss erfolgte die Entwicklung des Entscheidungsbaums bzw. des Entscheidungsprozesses. Der entwickelte Entscheidungsbaum gliedert sich, basierend auf strategischen Kriterien wie Wachstum, Kostenreduktion sowie Personal- und Finanzressourcen, frühzeitig in einen Gründungs- und einen Beitrittsast. Der Gründungsast beinhaltet dabei die wesentlichen Inhalte der vorherigen Ergebnisse zu den fundamentalen Mechanismen und Herausforderungen, die mit dem erfolgreichen Aufbau und Betrieb von digitalen Plattformen verbunden sind. Der Beitrittsast wiederum untergliedert sich über Kriterien der typenspezifischen Werteversprechen und Mehrwerte in Äste für die drei Plattformtypen. Diese vorläufige Typenauswahl wird anschließend über detailliertere typenspezifische Kriterien validiert, worauf im Anschluss die Auswahl einer konkreten Plattform anhand operativer Entscheidungskriterien erfolgt. Ausgehend von den hieraus resultierenden terminalen Entscheidungsmöglichkeiten wurde an die übergeordneten Möglichkeiten, also Gründung oder Beitritt, hinsichtlich deren Umsetzungsunterstützung angeknüpft. Hierzu wurde
auf der Beitrittsseite ein auf der Business-Transformation-Canvas und Fallstudien basierendes Framework entwickelt, das wesentliche Handlungsfelder eines Plattform-Betritts beinhaltet. Für jedes dieser Handlungsfelder wurden jeweils Vorgehensbeschreibungen und Fallstudien als Orientierung für Anwender aufbereitet und die Gesamtheit der Handlungsfelder in eine Roadmap für den Plattformbeitritt integriert. Auf der Gründungsseite wurden mögliche Alleinstellungsmerkmale der verschiedenen Plattformtypen, zu berücksichtigende Markteintrittsbarrieren, anwendbare Pricingsowie Skalierungsstrategien und eine phasenorientierte Kennzahlsystematik entwickelt. Zusätzlich
wurde ein generisches Plattformlastenheft für eine digitale Plattform der Logistikbranche erstellt, das Anwendern einen greifbaren Anknüpfungspunkt zur Umsetzung bietet. Abschließend erfolgte die Entwicklung eines browserbasierten Anwendungstools. Das Anwendungstool ermöglicht es KMU der Logistikbranche, die zuvor beschriebenen Entscheidungs- und Umsetzungsinhalte strukturiert zu durchlaufen. Dabei werden dem Anwender auf dessen Angaben basierende Visualisierungen, selektierte Informationen und interaktive Inhalte bereitgestellt. Insbesondere besteht die Möglichkeit, eine individualisierte Nutzenanalyse konkreter Plattformen durchzuführen. Das Anwendungstool kann unter https://fit4platform-tool.fir.de/ direkt, kostenlos und ohne zusätzliche Downloads oder Installationen genutzt werden.
Digitale Plattformen verändern den Logistikmarkt nachhaltig und eröffnen zahlreiche neue Möglichkeiten, wie etwa eine effizientere Planung und Verwaltung oder die Vermeidung von Leerfahrten durch automatisierte Auftragsvergabe. Für viele Logistikdienstleister stellt sich dabei die Frage, ob sie einer bestehenden Plattform beitreten, was unter Umständen mit einer gewissen Aufgabe an Autonomie verbunden ist, oder ob sie selbst eine eigene Plattform gründen. Durch die Nutzung einer solchen Plattform entstehen für die Logistikdienstleister einerseits viele Chancen, aber andererseits auch einige Risiken, die bei der Entscheidungsfindung gegeneinander abgewogen werden müssen. Das Forschungsprojekt 'Fit4Platform' wird federführend vom FIR e. V. an der RWTH Aachen in Kooperation mit dem IPRI International Performance Research Institute durchgeführt und durch einen projektbegleitenden Ausschuss aus Logistikunternehmen validiert. Das Projekt 'Fit4Platform' (Förderkennzeichen: 20802N) wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Rahmen der Richtlinie über die Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) gefördert.
Die fortwährende Digitalisierung sämtlicher Industriezweige macht auch vor kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der Logistikbranche nicht Halt und fördert so den Aufbau neuer und bis dato unkonventioneller Vertriebswege. Im Projekt 'Fit4Platform' wird dazu ein öffentliches, frei nutz-bares Entscheidungstool zur Auswahl der passenden Logistikplattform entwickelt und durch Um-setzungsstrategien zur Einführung und Nutzung ergänzt. Logistikdienstleister haben so die Möglichkeit, effizient die richtige Plattform für ihr Geschäftsmodell zu selektieren und aufwandsarm zu implementieren. In der ersten Phase des Projekts werden die derzeitigen Plattformlösungen am Markt evaluiert und über Morphologien den Bedarfen der Logistikbranche gegenübergestellt.