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Eine wesentliche Hürde in einem Auswahlprojekt ist die unklare oder unrealistische Vorstellung von den eigenen Anforderungen an ein zukunftsorientiertes ERP-/PPS-System. So leiten sich die Anforderungen an eineSoftwarelösung primär von der betrieblichen Aufgabenstellung und den daraus resultierenden Abläufen ab. In der Praxis mangelt es nicht zuletzt aufgrund der organisatorischen Komplexität und deren fehlender Greifbarkeit häufig an einem ganzheitlichen Bild der Auftragsabwicklungsprozesse. So ist es verständlicherweise schwer, die betrieblichen Prozesse ohne ausreichendes Wissen über die aktuelle Ablauforganisation in sinnvoller Weise zukunftsfähig zu gestalten.
Maschinen und Anlagenbauer in Deutschland sind auf Produktinnovationen sowie auf eine hohe Flexibilität und Individualisierung der Produktion angewiesen, um im Wettbewerb zu bestehen. Technische Innovationen und die Berücksichtigung kundenindividueller Anforderungen rechtfertigen das benötigte Preispremium der Produkte, das ein Überleben sichert. Die konsequente Ausrichtung am Kunden erfordert dabei ständige Initiativen zur Veränderung von Produkten und Produktionsprozessen. Diese werden zumeist als Projekte organisiert. Projekte sind gekennzeichnet durch die Einmaligkeit der Aufgabenstellung, die Vorgabe von Zielen sowie die Festlegung finanzieller, terminlicher und personeller Rahmenbedingungen.
Ziel dieser Dissertation war es, ein Referenzmodell für das kybernetische Management wandlungsfähiger Produktionssysteme zu entwickeln. Um dem zunehmenden Grad der Individualisierung von Produkten Rechnung zu tragen, konzentriert sich die Untersuchung auf die Prozesse und Rahmenbedingungen eines Unternehmens mit kundenspezifischer Auftragsinduzierung. Zum Aufbau eines entsprechenden Produktionsmanagementsystems in der Praxis steht dabei die durchgängige Beschreibung der Aufgaben, Prozesse und Informationsflüsse der technischen Auftragsabwicklung sowie die Beschreibung von invarianten Strukturen eines kybernetischen Managementmodells im Vordergrund. Durch die Zusammenführung dieser beiden Perspektiven entstand ein Referenzmodell, welches als Gestaltungsreferenz den Aufbau eines Produktionsmanagementsystems unterstützt, das sowohl die echte Regelung der operativen Prozesse als auch die Wandlungs- und Lebensfähigkeit des Gesamtsystems mit einbezieht und ermöglicht. Dieses Modell eignet sich sowohl für die Anwendung im Unternehmenskontext als auch zur gezielten Vertiefung und Verortung weiterführender Forschungsarbeiten und der Weiterentwicklung von IT-Systemen.
Die Bewertung der bestehenden IT-Infrastruktur und die Auswahl eines geeigneten, zukunftsorientierten ERP-/PPS-Systems stellen Unternehmen vor eine komplexe, aber nicht unlösbare Herausforderung. So bindet die Auswahlentscheidung ein Unternehmen in der Regel für einen Zeitraum von bis zu fünfzehn Jahren an das eingeführte System. Die Software und der Entscheidungsprozess betreffen nahezu alle betrieblichen Abteilungen vom Vertrieb über die Konstruktion, die Produktion und den Versand bis hin zum Service. Zudem ist die Einführung einer neuen ERP-/PPS-Software mit hohen Investitionen und einem beträchtlichen internen Personalaufwand verbunden. Auf Grund der Tragweite einer derartigen Entscheidung verlangt ein Auswahlprojekt nach einer adäquaten und erprobten Vorgehensweise. Das FIR begleitet Unternehmen seit über zwanzig Jahren bei der Auswahl der geeigneten IT-Unterstützung mit Hilfe des am Institut stetig weiterentwickelten 3PhasenKonzepts.
Aachener PPS-Modell
(2012)
Die Produktionsplanung und -steuerung bildet heute nach wie vor den Kern eines jeden Industrieunternehmens. Entgegen bisweilen kurzzeitigen Trends, die sich in immer wieder als „modern“ und „zeitgemäß“ proklamierten Konzepten äußern, hält das Aachener PPS-Modell am Betrachtungsansatz des ganzheitlichen Produk-tionssystems fest. Ressourcen und Prozesse eines Unternehmens und darüber hinaus auch die der Zulieferer müssen auf den Nutzen des Kunden bzw. auf die Wertschöpfung für den Kunden abgestimmt sein. Im Vordergrund steht die Optimierung des gesamten Produktionssystems. Produktionssysteme beschreiben die ganzheitliche Produktionsorganisation und beinhalten die Darstellung aller Konzepte, Methoden und Werkzeuge, die in ihrem Zusammenwirken die Effektivität und Effizienz des gesamten Produktionsablaufes ausmachen. Die Orientierung am Kundennutzen muss dabei wei-testgehend unter Vermeidung von Verschwendung erfolgen. Dafür stehen heute die Begriffe "Production System" und "Lean Thinking".Die Produktionsplanung und -steuerung ist der wesentliche Baustein eines Produktionssystems.
Die Entwicklung des Aachener PPS-Modells erfolgte mit dem Ziel, die ganzheitliche Betrachtungsweise durch Abstraktion bzw. Vereinfachung in der modellhaften Abbildung aller relevanten Zusammenhänge in der PPS zu unterstützen. Dabei lässt sich feststellen, dass eine ganzheitliche Betrachtung des Produktionssystems mit dem Fokus auf die PPS mit einem hohen Komplexitätsgrad einhergeht. Der Gesamtumfang einer solchen ganzheitlichen Betrachtungsweise macht es erforderlich, das Modell in verschiedene anforderungsspezifische Bereiche zu untergliedern und die einzelnen Teilmodelle miteinander zu verknüpfen.
Einen Überblick über das Grundverständnis und den Aufbau des Aachener PPS-Modells liefert der folgende Abschnitt. Im Anschluss daran erfolgt eine grundlegende Darstellung der Einsatzmöglichkeiten einzelner Modellteile, im Rahmen des Aachener PPS-Modells auch Referenzsichten genannt, sowie eine kurze inhaltliche Beschreibung der einzelnen Referenzsichten.
High Resolution Supply Chain Management aims to counteract the trend towards more and more centralised and rigid enterprises. Today, most companies strive to increase efficiency of business processes applying highly sophisticated, centralised planning approaches. These centralised approaches limit the companies’ ability to react flexibly and act adaptively due to external and internal turbulences. In today’s buyer’s markets companies usually try to bypass these turbulences keeping high levels of inventory resulting in a low overall efficiency. High Resolution Supply Chain Management tries to solve the problem at its root from a holistic perspective. Based on the Viable System Model developed by Stafford Beer a four-dimensional holistic production management system model, embedding an organisational structure view, an cause and action view, a control loop perspective and a decision making level has been elaborated. The basis of this model is the integration of all four perspectives into an interacting framework.
High Resolution Supply Chain Management (HRSCM) verfolgt das Ziel, Unternehmen in die Lage zu versetzen, sich an ständig verändernde Rahmenbedingungen anzupassen. Idee ist es, diese sog. Wandlungsfähigkeit, entgegen dem aktuellen Trend hin zu immer komplexer werdenden zentralen Planungssystemen, durch die Implementierung dezentraler Regelungsmechanismen des Produktionsmanagements zu erreichen. Die Vernetzung dieser selbstoptimierenden Regelkreise basiert auf der Wahrnehmung eines Unternehmens als lebensfähiges, soziotechnisches System. Neben dieser organisatorischen Struktur bilden Informationstransparenz, Entscheidungsunterstützungssysteme und synchronisierte Zielsysteme die Grundsteine dieses neuen Produktionsmanagements.
High Resolution Supply Chain Management (HRSCM) verfolgt die Umkehr des Trends einer weiteren Steigerung der Planungskomplexität. Indem eine erhöhte Informationstransparenz geschafft wird, werden dezentrale, selbstoptimierende Regelkreise in industriellen Wertschöpfungsnetzwerken implementiert, um die Verfügbarkeit von Waren sicherzustellen. Idee des HRSCM ist es, Organisationen und -prozesse in die Lage zu versetzen, sich durch dezentrale, möglichst autonome Produktionsregelungsmechanismen selbstoptimierend an ständig verändernde Rahmenbedingungen anzupassen. Voraussetzung für diese dezentrale Anpassung sind konsistente Zielsysteme. Die Grundsätze dieser neuen Produktionsplanung und -steuerung sind neben der hohen Informationstransparenz stabile Produktionsprozesse, ein durchgängiger Kundenauftragsbezug, verstärkte Kapazitätsflexibilisierung sowie die Wahrnehmung eines Produktionsnetzwerkes als lebensfähiges, sozio-technisches System.