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In dem durchgeführten Forschungsvorhaben wurde ein Konzept zur Gestaltung und Bewertung einer skalierbaren Produktentwicklung und Markteinführung technischer Produkte entwickelt. Ein zentraler Baustein dieses Konzepts war dabei der Pionierprodukt-Ansatz. Pionierprodukte stellen einen volumenmäßig, zeitlich und räumlich begrenzten Ausschnitt des gesamten Zielmarktes eines Unternehmens dar. Mit dem Pionierprodukt-Ansatz können Innovationen in kurzer Zeit an den Markt gebracht und dort unter realen Marktbedingungen getestet werden.
Durch die Integration von Pionierprodukt-Entwicklung und Realoptionen-Ansatz wird jedoch grundsätzlich die Fokussierung auf die wesentlichen Marktanforderungen wie Produktdifferenzierung, Kundenorientierung und die Wiederverwendung bewährter Produktkomponenten und Partnernetzwerke im Kontext komplexer Entwicklungsprojekte ermöglicht. Die Reduktion der zu beherrschenden Komplexität mit Hilfe der genannten Ansätze ist wesentliches Merkmal des entwickelten Konzepts.
In den folgenden Abschnitten werden Szenarien zur Weiterentwicklung der Projektergebnisse von myOpenFactory vorgestellt, die neben der bereits erwähnten und begonnenen Internationalisierung des Standards möglich und sinnvoll sind. Diese Darstellung ist nicht vollständig und als Anregung für den weiteren Handlungsbedarf zu verstehen.
5.1 Die Projektergebnisse von myOpenFactory (Teilkapitel aus Kap. 5: Zusammenfassung und Ausblick)
(2007)
Die Herausforderung der myOpenFactory-Initiative lässt sich zusammenfassend beschreiben als die informationstechnische Unterstützung unternehmensübergreifender Prozesse der Auftrags- und Projektabwicklung temporärer Produktionsnetzwerke im Maschinen- und Anlagenbau. Die hohe Komplexität der entsprechenden Koordinationsaufgaben solcher Produktionsnetzwerke resultiert einerseits aus dem hohen Vernetzungsgrad der Strukturen bei meist nur geringer Dauer der projektbezogenen Geschäftsbeziehungen und andererseits aus der Inkompatibilität marktgängiger Softwaresysteme sowie der mangelhaften organisatorischen Gestaltung der überbetrieblichen Auftragsabwicklung.
DIN PAS 1074: myOpenFactory: Prozess- und Datenstandard für die überbetriebliche Auftragsabwicklung
(2007)
Diese öffentlich verfügbare Spezifikation (PAS = Publicly Available Specification) beschreibt den Prozess- und Datenstandard myOpenFactory. myOpenFactory ist ein Standard für den elektronischen Datenaustausch zwischen verschiedenen ERP-/PPS-Systemen zur Koordination der überbetrieblichen Auftrags- und Projektabwicklung.
Ziel ist es, den Aufwand zum Informationsaustausch zwischen Unternehmen im Rahmen der Auftragsabwicklung nachhaltig zu reduzieren. Der Standard besteht aus einem standardisierten Prozess- und Datenmodell, das DV-technisch in verschiedenen ERP-/PPS-Systemen implementiert werden kann, und ist frei verfügbar. Für Kleinstanwender ohne eigenes ERP-/PPS-System existiert ein Web-Cockpit, das als einzige Voraussetzung eine Internetverbindung benötigt. myOpenFactory wird insbesondere im Maschinen- und Anlagenbau angewendet, kann aber auch in anderen Branchen zum Einsatz kommen. Durch den schlanken und gleichzeitig flexiblen Umfang der Schnittstelle ist myOpenFactory besonders für kleine und mittlere Unternehmen geeignet. Der Prozess- und Datenstandard wird von der myOpenFactory eG gepflegt und weiterentwickelt.
Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus stehen derzeit vor großen Herausforderungen. Während in der Vergangenheit vorwiegend einzelne Dienstleistungen von Seiten des Kunden nachgefragt wurden, fordern die Kunden heute ganzheitliche Problemlösungen in Form von Systemdienstleistungen oder als hybride Produkte – integrierte Leistungsbündel aus Sachgütern und Dienstleistungen.
Obschon sich der Maschinen- und Anlagenbau dieses Wandels bewusst ist, stellt er insbesondere kleine und mittlere Unternehmen vor Probleme. Auf Grund einer mangelnden Strukturierung von Systemdienstleistungen und fehlender Instrumente zur Nutzenerfassung und -bewertung von Dienstleistungen erfolgt die Konfiguration derartiger Leistungsbündel in der Regel unsystematisch und nicht auf Basis der Kundenwünsche und -bedürfnisse. Dies führt dazu, dass die Chancen, die sich den Unternehmen durch das Angebot von Systemdienstleistungen oder hybriden Produkten bieten, bisher nur unzureichend ausgeschöpft werden.
Der Beitrag stellt das am FIR entwickelte Modell ServKon vor. ServKon leistet einen Beitrag, die bestehende Lücke im Bereich der Berücksichtigung von Kundenwünschen und -bedürfnissen bei der Konfiguration von Systemdienstleistungen zu schließen. Durch die Anwendung des Modells können kleine und mittlere Maschinen- und Anlagenbauer den Nutzen von Einzeldienstleistungen mit einer einheitlichen Analysemethode erfassen, bewerten und darauf aufbauend den Gesamtnutzen potenzieller Leistungsbündel bestimmen. Dies bietet die Grundlage für die Konfiguration erfolgreicher Systemdienstleistungen. Unternehmen werden durch das Nutzenmodell befähigt, das Risiko einer nicht kundenorientierten Zusammenstellung der Leistungsbündel zu reduzieren und gleichzeitig die Entscheidung ressourcenschonend vorzubereiten.
Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus konzentrieren sich bereits seit mehreren Jahren verstärkt auf ihre spezifischen Kernkompetenzen innerhalb des Produktionsprozesses. Damit einher ging die umfängliche Verlagerung diverser logistischer Leistungsprozesse auf andere Unternehmen und die Bildung zahlreicher, komplexer Wertschöpfungsnetzwerke. Vielfach unterschätzt wurden dabei jedoch die resultierenden Herausforderungen der überbetrieblichen Auftragsabwicklung wie Schnittstellenvielfalt und Dateninkonsistenz. Symptomatisch für die mangelhafte Integration der Zusammenarbeit in diesen logistischen Netzwerken ist, dass Briefpost, Telefon und Fax nach wie vor die gebräuchlichsten Kommunikationsmedien der überbetrieblichen Auftragsabwicklung darstellen.
Der vorliegende Beitrag greift diese Problemstellung auf, adaptiert die grundsätzliche Betrachtungsweise des Lean Thinking auf die überbetriebliche Projektabwicklung im Maschinen- und Anlagenbau und identifiziert hierfür wesentliche Ansatzpunkte zur Vermeidung von „Verschwendung“. Als Lösungsansatz für eine durchgängig integrierte Auftrags- und Projektabwicklung wird der neue Quasi-Standard „myOpenFactory“ vorgestellt und dessen Umsetzung in marktgängigen ERP-/PPS-Systemen und einer frei verfügbaren Internet-Anwendung skizziert.
Zur Planung und Steuerung setzen Unternehmen der produzierenden Industrie heute auf umfassenden Softwareeinsatz. Deshalb begründen sie eine geringe logistische Zielerfüllung bezüglich Lieferfähigkeit und Liefertreue häufig mit Defiziten der Software. Doch Praxiserfahrungen zeigen, dass die Industrieanwender die Bedeutung organisatorischer Defizite in der innerund" überbetrieblichen Auftragsabwicklung deutlich unterschätzen.
Deshalb untersuchten die drei Institute
• Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, Stuttgart;
• Forschungsinstitut für Rationalisierung FIR, Aachen sowie
• Laboratorium für Werkzeugmaschinen und Betriebslehre WZL der RWTH
Aachen
den Einfluss dieser Defizite auf die Lieferterminermittlung und -erfüllung. Ausgangspunkt der Studie waren Thesen, die eine qualitative Befragung der Produktions- und Logistikverantwortlichen verifizieren sollte.